Neueinschätzung zur ersten Pride Parade in Tbilisi

Wir sind zurück von unserer Reise durch den Südkaukasus. Reich an Eindrücken, dankbar für die interessanten Diskussionen, die wir hatten, und voller Tatendrang unseren Film fertig zustellen.

Wir haben viele neue Sichtweisen auf die Verhältnisse gesammelt und viel von den neuen Freund*innen, aber auch über uns selber gelernt. Mir ist wieder aufgefallen, wie wichtig und sinnvoll es ist, sich direkt mit den betroffenen Menschen auseinanderzusetzen und vor allem: ihnen zuzuhören.

In einem vorherigen Artikel schrieb ich eine Einschätzung zur ersten Pride in Tbilisi auf Grundlage von Artikeln und dem offiziellen facebook-Account der Pride-Organisator*innen. Nun, nachdem wir mit den Aktivist*innen vor Ort geredet haben, tut sich jedoch ein erweitertes Bild auf die Geschehnisse rund um die Pride auf. Um meinem Anspruch gerecht zu werden, feministischen und queeren Kämpfen eine Stimme zu geben, lasse ich hier nun, zur Richtigstellung bzw. Erweiterung, eben diese Aktivist*innen zu Wort kommen. Denn, was sie zu sagen haben, ist wichtig und weitet den Blick auf die, die viel zu selten zu Wort kommen.

Schon im vorangegangenem Artikel kritisierte ich die Kommerzialisierung heutiger Pride Paraden. Yes, stonewall was a riot, leider ist davon heute in vielen Ländern wenig zu spüren. Und auch eine Aktivistin*, die wir vor Ort trafen, kritisierte diese Kommerzialisierung. Die Kämpfe der LGBTIQ- Community ließen sich nicht auf die Pride reduzieren und eigentlich würden sie auch woanders geführt. Im alltäglichem Leben.

Die Organisator*innen wiederum sahen die Pride zwar als Mittel, um mehr Awareness gegen Homo- und Transfeindlichkeit zu schaffen, hätten letztlich jedoch nur mehr Hass gegen jene provoziert, die von dieser Menschenfeindlichkeit betroffen sind. Die Aktivistin* beschreibt, wie die Initiatoren in keinem Gespräch mit der LGBT-Community waren, nicht aus dieser kamen und die Pride schlussendlich gegen den Willen derer, die stark unter der transfeindlichen Gesellschaft leiden, durchführten.

Trans*Menschen in Georgien sind eine stark von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffene Gruppe. Die meisten arbeiten als Sex-Arbeiter*innen, auch wenn Sexarbeit verboten ist. Viele kämen aus den Dörfern und ländlichen Gebieten, weil ihre Familien sie verstoßen haben. „Everyone is against them, the law, the police, the society and with the pride […] this was not the right way, they didn’t care [about what trans-people wanted], they said no I want to do it.“ Sie haben die Pride auf eine Art und Weise organisiert, die gegen den Willen und ohne Kommunikation zur Community war. Dies ist vor allem in dem Sinne fatal, als dass die, für deren Rechte demonstriert wurde, unter dem anhaltendem und nach Einschätzung der Aktivist*innen verstärkten Hass leiden. Und auch eine weitere Aktivistin bestätigte diesen Eindruck und erklärte, aus ähnlichen Gründen nicht an der Versammlung teilgenommen zu haben.

Für uns eröffnete sich durch diese Gespräche also ein Blick ins Innere der Vorkommnisse. Eine Sicht, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht wird und schwerlich werden kann. Wenn Gruppen unterschiedliche Ressourcen haben, um Reichweite zu generieren, werden nur die privilegierte gehört. Aber auch um Menschen dabei zu unterstützen öffentlich mehr Raum einnehmen zu können, die bestimmte Privilegien nicht haben, haben wir uns zusammen gefunden. Aus diesem Grund bin ich froh hier diese erweiterte Sichtweise auf die erste Pride in Tbilisi teilen zu können.

  • nb
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