Am 30.01.20 wurde die Immunität von Karin Strenz, die seit 2009 CDU-Bundestagsabgeordnete ist aufgehoben. Denn Strenz erhielt Gelder im großen Umfang vom aserbaidschanischen Präsident Ilham Aliyev; zum Zweck der Lobbyarbeit für das repressive Regime Aserbaidschan. Das ist kein Ausnahmefall. Das ist nur ein Fall, von dem berichtet wird.
Karin Strenz ist bekannt für die Verteidigung des Ilham Aliyevs Familien-Klans. Seitdem die Familie des heutigen Präsidenten Ilham Aliyev Anfang der 90er-Jahre an die Macht kam, werden die elementaren Grundrechte wie das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in der Praxis rigoros beschnitten. Die Behörden gehen mit einer beispiellosen gewaltsamen Repressionswelle gegen Regimekritiker*innen vor. Immer wieder kommt es zu willkürlichen Festnahmen, politisch motivierten Prozessen sowie Misshandlungen und Folter von Inhaftierten. Unzählige Fällen von Aktivist*innen, Journalist*innen und Oppositionellen, die bedroht, brutal geschlagen und aufgrund konstruierter Anschuldigungen inhaftiert wurden, gehören zum Alltag. Trotz dieser Tatsache möchte z.B. Karin Strenz als Gegenleistung für ihren Lobbyismus die Sonderbehandlung durch aserbaidschanische Behörden genießen.
Aserbaidschan lässt sich die Wahlbeobachter*innen bezahlen
Der repressive Präsident Aliyev will das Gesicht des Landes aufpolieren, indem er versucht, ein Netzwerk europäischen Politiker*innen in seinem Sinne agieren zu lassen. Diese Taktik von ihm ist längst bekannt und nennt sich Kaviar-Diplomatie. Angehörig zu diesem Netzwerk ist auch Karin Strenz. Strenz sitzt seit Jahren in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE). Diese Komitee überwacht die Einhaltung der Menschenrechte in Ländern wie Aserbaidschan. In der Tat interessiert sie sich für Aliyevs Familien-Clan, Menschenrechte tritt sie*er mit Füßen.
Seit 2010, als Strenz zum ersten Mal an der Wahlbeobachtungsmission in Aserbaidschan teilnahm, ist sie*er viel nach Baku gereist und hat dabei oft deutsche Geschäftsleute mitgebracht. Im Mai 2015, am Vorabend der Europäischen Spiele, brachte sie eine Delegation von Abgeordneten nach Baku und organisierte erneut ein Treffen mit Ilham Aliyev. Eine der Diskussionspunkte waren TAP- und TANAP-Projekte. Dabei waren auch Tankred Schipanski (CDU), Heidrun Tempel, Johannes Kahrs (beide SPD), Katrin Kunert (Linke) und Tabea Rößner (Grüne). Während der PACE-Beobachtungsmission bei den Präsidentschaftswahlen 2013 zog es Karin Strenz vor, allein in die Wahllokale zu gehen, obwohl es üblich ist, zumindest zu zweit zu gehen. Sie kam früher in Baku an und reiste später ab als andere PACE-Beobachter*innen. Strenz scheint, wie sie selbst so schön in einem Interview sagte, ihr Herz in Aserbaidschan verloren zu haben. Und die Wahlbeobachtungsmissionen endeten für Aserbaidschan immer mit auffallend positivem Ergebnis.
Aserbaidschan hat in PACE mittels erheblichen Drucks und massiver Lobbyarbeit eine Entschließung zur Lage der politischen Gefangenen im Land verhindert, nachdem es bereits zuvor die Arbeit des zuständigen Berichterstatters behindert und diskreditiert hatte. Dafür hatte der Autoritär Aliyev u.a. deutsche Lobbist*innen beauftragt: Line M-Trade von Eduard Lintner, der ehemalige CSU-Staatssekretär, durfte den ehrenhaften Auftrag übernehmen. Mit der von ihm gegründeten Gesellschaft finanzierte er Reisen von Wahlbeobachter*innen nach Baku. In dem autoritär regierten Land hatten sie nichts zu beanstanden. An einer solchen Reise nahm 2010 Karin Strenz teil. Line M-Trade diente dazu, vereinbarte Gelder aus Aserbaidschan nach Deutschland zu transferieren, um Aktivitäten zu finanzieren. Welche genaueren Aktivitäten das waren, ist immer noch unklar. Über fragwürdige Organisationen aus Aserbaidschan flossen Gelder an die Firma. Lintner war schon aktiv für Aserbaidschan in dem Zeitraum zwischen der Gründung der Lobbyorganisation Gefdab im Juli 2009 und dem Ende seines Europarats-Mandats im Januar 2010. In diesen Zeitraum fiel etwa im November 2009 die Wahl eines neuen Ko-Berichterstatters für Aserbaidschan im Europarat. Damals gewann der pro-aserbaidschanische Debono Grech aus Malta gegen die kritischere Lise Christoffersen aus Norwegen. Und interessanterweise wurde Grech von Lintner als Kandidat vorgeschlagen. Eine investigative Journalist*in aus Malta, Daphne Caruana Galizia, hatte über Maltas Verbindungen zum Ilham Aliyev-Regime in Aserbaidschan recherchiert, in dem auch Grechs Name auftauchte. Caruana Galizia wurde am 16. Oktober 2017 bei einer Bombenexplosion ermordet. Debono Grech war auch ein Teil des Plans, den die wichtigsten aserbaidschanischen Lobbyist*innen Luca Volonte (IT), der 2,4 Millionen aus Aserbaidschan erhalten hat, und Elkhan Suleymanov in PACE entwickelt hatten, um den Bericht über politische Gefangenen zu besiegen. Debono Grech wurde bereits im Jahr 2013 beschuldigt, auf der Reise nach Aserbaidschan Geschenke erhalten zu haben. Dabei wurde Strenz auch nicht vergessen. Im Jahr 2015 wurde im Europarat die Freilassung der politischen Inhaftierten gefordert. Nur eine deutsche Abgeordnete hat dagegen gestimmt: Karin Strenz.
Korruption ist nicht nur autoritären Ländern inhärent. Sie ist der Macht und Herrchaft im Allgemeinen inhärent. Denn jede herrschaftsbezogene Macht muss notwendigerweise despotisch werden, sie neigt dazu, sich in den Händen einiger weniger zu zentralisieren, die untereinander Korruption erzeugen.
Deutschland ist am Beispiel von Strenzfall mitverantwortlich für Menschen, die willkürlich festgenommen wurden, die Jahre im Gefängnis verbracht haben, die misshandelt, gefoltert wurden, deren Leben vom Regime zerstört wurde. Lächerliche Summen wurde als Geldstrafe verlangt, das ist offensichtlich weniger, als was sie tatsächlich bekam. Als Folge hat der Staat auch was davon. Was nützt das den Menschen, die unter dem repressiven Regime gelitten haben und immer noch leiden? Nur die Immunität aufzuheben ist kein ernsthafterer Schritt. Ein ernsthafterer Schritt wäre die politisch-wirtschaftlichen Beziehungen mit Aserbaidschan zu boykottieren, was Deutschland schwer fällt, weil Öl- und Gasreserven wichtiger als Menschen sind.